Ein ganzer Sternenhimmel in der kleinen Benzer Kirche auf Usedom
In die kleine Kirche in Benz passt ein ganzer Sternenhimmel. Zumindest im verkleinerten Maßstab. Wer das Gotteshaus auf der Insel Usedom betritt, schaut sofort nach oben und erblickt ein farbenprächtig ausgestaltetes Firmament. Hölzerne Kassettenfelder schmücken die Decke, die mit Sternen und Rosetten bemalt sind. Die faszinierenden Malereien wurden im Jahr 1909 vom Stettiner Hof-Dekorationsmaler Adolf Dittmer angefertigt.
Die evangelische Kirchengemeinde in Benz feierte heute den Abschluss der Restaurierung der Deckenmalerei „Sternenhimmel“. Im Rahmen einer Festwoche stellten Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Annegret Möller-Titel, Pastorin der Evangelischen Kirchengemeinde Benz, Friedrich-Wilhelm von Rauch, Geschäftsführer der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, Ulrich Wolff, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Vorpommern, Dr. Monika Bachtler, geschäftsführendes Kuratoriumsmitglied der Rudolf-August Oetker-Stiftung, die Marlis-Kressner-Stiftung, Anett Burckhardt, stellvertretende Leiterin der Bauabteilung des Pommerschen Kirchenkreises, und Gemeindemitglieder die Ergebnisse der Restaurierung erstmals vor.
Im Jahr 2008 beschloss die Kirchengemeinde den wunderschönen Sternehimmel zu restaurieren. Feuchtigkeit war immer wieder durch die hölzerne Decke gedrungen. An vielen Stellen hatte sich die Leimfarbe vom Untergrund gelöst und war als „Sternenstaub“ in das Kirchenschiff gerieselt. Ein Förderkreis wurde gegründet und die Idee geboren, Stern-Paten zu gewinnen. Viele Paten hat die Decke seitdem bekommen. Letztendlich konnte mit der Restaurierung 2017 begonnen werden.
„Der Kirchengemeinde ist für diese Arbeiten sehr viel Geld anvertraut worden. Den Stern-Paten, Spendern und fördernden Stiftungen gilt unser großer Dank“, sagte Annegret Möller-Titel, Pastorin der Evangelischen Kirchengemeinde Benz.
„Für Künstler und Freunde der Architekturgeschichte ist Benz auf Usedom ein Ort von hoher, einprägsamer Ausstrahlungskraft. Zu dieser einzigartigen Ausstrahlung trägt seit Jahrzehnten – bis hin zum Benzer Kirchen- und Musiksommer – die ehrenamtliche Arbeit rund um die Ortskirche bei. Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung hat darum gemeinsam mit der Stiftung der Sparkasse Vorpommern gern die Restaurierung gefördert. Es freut uns zugleich sehr, dass wir den Benzer Sternenhimmel intensiv und partnerschaftlich mit der Rudolf-August Oetker-Stiftung begleiten konnten“, so Friedrich-Wilhelm von Rauch, Geschäftsführer der Ostdeutschen Sparkassenstiftung.
Lange rätselte die Kirchengemeinde, wie die Benzer (oder der 1908 gewählte neue Pastor Petermann) im Jahr 1909 auf die Idee gekommen sind, die Decke so zu gestalten. Selbst intensive Archivrecherchen brachten keine weiteren Informationen zutage. Bekannt ist, dass Adolf Dittmer die Ausmalung vorgenommen hat. Er stammte wohl aus einer Familie von Malern. Ein durch Ostdeutsche Sparkassenstiftung und Sparkasse Vorpommern veranlasstes kunsthistorisches Gutachten fand heraus, dass Adolf Dittmer an markanten innenarchitektonischen Projekten seiner Zeit beteiligt war (u. a. im repräsentativen Neubau für den Amtssitz des preußischen Oberpräsi- denten der Provinz Pommern in Stettin, Überarbeitung der Decke in der Marien- kirche Ueckermünde). Dittmer arbeitete u. a. zusammen mit August Oetken (1868-1951), der durch seine Arbeiten in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und auf der Wartburg Bekanntheit erreicht hatte.
Der Kirchenmaler Adolf Dittmer hat sich bei der Gestaltung der Decke größtenteils von den Idealen der klassischen Antike leiten lassen. Es ging um Klarheit. Das Auge des Betrachters soll in erkennbaren Strukturen Halt finden und sich orientieren können. Quadrate stehen für Harmonie, Vollkommenheit und Ausgewogenheit. Symmetrien vermitteln Ruhe und Verständlichkeit, ebenso die klaren Linien und schlichten Formen. Die Ausmalung betont die Architektur des Gebäudes. Die farbliche Gestaltung ist zurückhaltend. Es überwiegen Blautöne, dazu kommen einige Grün- und Gelbtöne. Die Ornamente entstehen durch schwarze Pinselzüge. Im Altarraum erweckt Grau den Eindruck von Schattenwürfen und zwischen den Kassetten funkeln kleine goldene Sterne. Allerdings ist die ursprüngliche Farbgestaltung nicht mehr ganz erhalten: Unterhalb der Decke, zwischen dem (neobarocken) Stuckwerk, hatte Dittmer rote Draperien, also textile Gehänge auf das Holz gemalt. Neben der Orgel sind diese in einem historischen Fenster zu sehen. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts sind diese übermalt worden, ebenso die Weinreben im Altarraum.
Am Triumphbogen, also dem Übergang vom Kirchenschiff zum Altarraum, bediente sich Dittmer noch bei zwei weiteren Stilrichtungen der Kunstgeschichte. Aus Blickrichtung des Turms fällt der Blick auf neobarocke ausladende Formen, pausbäckige Putten und manieristische Edelsteine. Das Schmuckband zum Abschluss des Altarraums ist vom Jugendstil inspiriert.
Die einzelnen Felder der Decke hat der Maler kunstvoll in immer wieder abgewandelten Details gestaltet. „In der pommerschen Metropole Stettin sind viele Arbeiten Adolf Dittmers verloren. In Benz ist noch ein Hauch des neubarocken kaiserzeitlichen Prunks spürbar, der in seiner Ausformung an Theaterdekorationen erinnert und den Chor zur Bühne werden lässt“, so das Urteil des Kunsthistorikers Detlef Witt.
Fotos: Dietmar Pühler (www.presse-usedom.de)
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